Gibt es tatsächlich Kinder, die nicht in Pfützen stampfen, die auf einem Baumstamm keine Balance halten können – kurz: Die ein „Drinnen“ vor dem Computer dem „Draußen“ in der Natur vorziehen?
Doch, die gibt es tatsächlich, erfuhren die rund 65 Teilnehmer des ersten Naturerbetags OWL, der am Freitagnachmittag in Bad Lippspringe stattfand. Ihnen galt darum die besondere Aufmerksamkeit der insgesamt neun Referenten, die auf sich auf sehr unterschiedliche Weise dem Thema der Fachtagung „Ich war noch nie im Wald“ näherten.
Dr. Gertrud Hein von der Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW (NUA) malte das erschreckende Bild von Kindern, die laut verschiedener Studien durch Bewegungsmangel krank werden: Ihr Körperbewusstsein, ihre Sinne und ihre Neugier verkümmern ohne die entsprechenden Reize. Für Hein ist das Naturerleben wichtiger Baustein für die gesundheitliche Entwicklung.
Naturerleben – schön und gut. Aber „Wie kann ich schützen, was ich auch erleben will?“ lautete der Titel des Referats von Martin Hübner, Technischer Dezernent der Kreisverwaltung. Er plädierte für die Begehbarkeit auch von Naturschutzgebieten, die in der Nähe von Ballungsräumen liegen.
In die gleiche Kerbe schlug auch Yuri Kranz, Justiziar beim Landesbetrieb Wald und Holz. Besonders die Veranstalter von Exkursionen spitzten die Ohren, als er über Waldbetretungsrecht, Wegegebot, Gruppengrößen und Sicherheitsaspekte sprach, denn „ein Wanderweg ist kein Bürgersteig“, so das Thema seines Vortrags.
Dass es schöne Angebote und ehrgeizige Pläne zum Naturerleben gibt, davon kündeten die Beispiele aus der Praxis. Susanne Haferbeck schwärmte von den guten Erfahrungen des Wildnis-Camps an der NABU-Umweltbildungsstätte am Rolfschen Hof. Begeisterung weckt der Schulwald Ritterholz bei den Schülern der Sekundarschule Borchen mit zahlreichen ungewöhnlichen Veranstaltungen, berichteten Lehrer und Ranger Volker Wascher und Förster Carsten Breder.
Eine Richtung, in die auch die im Aufbau befindliche Gesamtschule Bad Lippspringe eingeschlagen hat: Sie will mit Unterstützung des Landes NRW Naturerbe-Schule werden und dieses neue Label eigens entwickeln, erfuhren die Zuhörer von Konrektor Matthias Schmitt und der Projektleiterin der neuen Umwelt-Bildungs-Initiative OWL, Norika Creuzmann.
Mit einem Rollenspiel begrüßten Schüler die Teilnehmer und der Film „Wurmis Leben“, mit dem die Schule den ersten Platz bei einem Bundeswettbewerb gewann, wärmte manchem das Herz. Über das Netzwerk Naturschule Bielefeld berichtete Peter Rüther von der Biologischen Station Paderborn-Senne: Knapp 10.000 Teilnehmer erlebten dort allein 2014 verschiedene Projekte zum Thema Naturpädagogik.
Ausrichter des ersten Naturerbetags war die NUA, der Landesbetrieb Wald und Holz (Regionalforstamt Hochstift)
, die Umwelt-Bildungs-Initiative OWL (UBI), das NABU-Umweltbildungshaus im Prinzenpalais und die Biologische Station Paderborn-Senne. Unterstützt wurde die Veranstaltung vom Kreis Paderborn.
Der zweite Naturerbetag ist schon in der Mache, kündigte Moderator Frederick Lüke an. Dann aber sollen Informationen nicht vier Stunden im Kongresshaus ausgetauscht werden, sondern draußen, im Naturschatz vor der eigenen Haustür.